Aller Anfang ist schwer, heißt es. Davon kann ich sozusagen ein Lied singen. Neue Dinge sind zwar aufregend, aber sie setzen mich auch enorm unter Druck und wecken Versagensängste in mir. Meine eigene Erwartungshaltung steigt schnell an. Schließlich bin ich ja auch ein Perfektionist und muss alles sofort perfekt können oder es soll wenigstens besonders schön werden.
Ja, ja, mein innerer Antreiber oder innerer Kritiker lässt mir keine Ruhe. Immer wach und einsatzbereit. Man kann sich auf ihn verlassen, diese „Treue Seele“. Wenn einer da ist, dann er. 🙂
Ähm ja zurück zum Anfang vom Anfangen… Die ersten Schritte fallen mir besonders schwer. Es ist ein bisschen wie bei einer endothermen chemischen Reaktion. Also es muss Energie hinzugefügt werden, damit die Reaktion abläuft. Es braucht einen Katalysator. Und das ist auch ein großartiger Vergleich für die Gespräche, die ich mit meiner Therapeutin, Neurologin oder Familienberaterin führen darf. Ich brauche von Außen etwas Aufmerksamkeit und Raum für meine Gefühle und Gedanken, einige zusätzliche Sichtweisen auf vermeintlich verfahrene Situationen (Schwung) und dann kann ich Dinge bewältigen, Probleme lösen und Ziele erreichen (dann kommt der Stein ins Rollen).
Erst einmal EINE Lösung finden, nicht zu lange an einer Perfekten Lösung feilen, das war ein sehr hilfreicher Rat von der Familienberaterin. Das Ausfeilen kann dann anschließend erfolgen. Puh, das kann eine ganz schöne anstrengend sein. Und gleichzeitig nimmt es unheimlich viel Druck aus dem eigenen Leistungsanspruch. Wie befreiend.

So habe ich dann auch versucht an das Legobauen mit meinem Kind heranzugehen. Ich hatte diese dunkelgrüne Legoplatte, einen Haufen Legosteine vor mir und hatte keine Ahnung was ich damit bauen sollte. Mein innerer Anspruch war es etwas ganz großartiges zu erschaffen. Das innere Barometer verzeichnete zuverlässig einen Druckanstieg. Mein Herz schlug schneller, der Atem wurde flacher, der Stresspegel wollte quasi abheben… Ich konnte es sehr gut als Beobachter wahrnehmen und konnte sogar gegensteuern. Ich konzentrierte mich auf meinen Atem und ließ ihn ruhig und gleichmäßig werden. Mein Kind setzte derweil fleißig Stein auf Stein auf seiner grünen Platte. Okay dachte ich. Hier sind keine weiteren Schiedsrichter (aus meinem inneren) zu sehen. Jetzt setze ich einfach ein paar Steinchen hier hin, ein paar Steinchen dort hin… Erst einmal EINE Lösung finden. Einen Schönheitspreis musste ich ja nicht gewinnen, das hatte ich ja sichergestellt… Und so entstand nicht nur dieses lustige Gebilde, sondern auch ein neuer Weg für mich im Umgang mit dem „Anfangen“ und dem „Unbekannten“. Ich machte die Erfahrung, dass weniger Druck auch zum Ziel führt und ich mich dabei sogar gut fühlen darf.


Ein anderer schöner Rat, den ich geschenkt bekommen habe ist der Vergleich vom Leben mit der Musik. In der Musik gibt es den Takt und den Rhythmus. Der Takt ist starr und fest. Der Rhythmus ist beweglich und flexibel. Die Natur hat zum Beispiel ihre Rhythmen: die Jahreszeiten, den Tag und Nacht Wechsel oder den Mondzyklus. Ein Baum wirft jetzt nicht am 22. September alle Blätter ab, weil der kalendarische Herbst begonnen hat (Takt), sondern er passt sich den Gegebenheiten an wie Temperatur, Wasserverfügbarkeit, Sonnenlichtmenge, etc. (Rhythmus). Alles ist in einem so genannten Flow und fließt ineinander.
Und so versuche ich dieses Bild vom Rhythmus auch in andere Lebensbereichen zu integrieren und Dinge weniger starr zu halten. Der Sonnengruß im Yoga zum Beispiel hat verschiedene Variantionen, und doch gibt es einen rhythmischen Ablauf. Dieser folgt dem Rhythmus des Atems. Auch im Haushalt versuche ich weniger den einzelnen Aufgaben einen festen Platz in der Woche zu geben, sondern richte mich mehr nach dem Bedarf: Ist der Geschirrspüler wirklich schon voll oder kann ich noch einen Tag warten? Muss die Wäsche jetzt gewaschen werden oder sammle ich lieber noch zwei Tage und spare mir hier und da ein unnötiges Waschen zwischendurch. Am Ende soll an alles gedacht und auch rechtzeitig erledigt sein. Und das Schöne ist, wenn man mal eine Woche keinen Staub gesaugt hat, geht die Welt Nicht Unter. Tatsächlich! Das hätte ich nicht gedacht. Das Mitschwingen mit dem was uns umgibt kann vieles einfacher und entspannter machen. Also viel Freude im Flow.
Energy Flow, where attention goes.